OKI Kieler kulturhistorische Zinnfiguren Kilia

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Stierkampf


Es handelt sich um 18 flache Zinnfiguren von 35-45 mm Augenhöhe, die im Jahre 1993 wiedergefunden wurden.

Die Serie stammt wahrscheinlich von Johann Andreas Besold, der 1858 als Meister und bis 1893 als Gießer und Graveur in Nürnberg 30mm und größere Flachfiguren herstellte, wie schon sein Vater Carl Ludwig Friedrich Albert B. (1830-1857) ebenfalls in Nürnberg, der durch Ritter mit beweglichen Armen bekannt wurde. Johann Andreas gravierte als wandernder Geselle in Lübeck, ca. 1857, in der Offizin Carl Adolph Ferdinand Heidorn. Die Heidorn-Formen kamen 1897 ins Lübecker Museum. Die unsignierten Fußbrettchen der Stierkampfserie geben einen weiteren Hinweis auf die Herkunft aus der Offizin Besold. Johann Andreas Besold verwendete anscheinend auf seiner Wanderschaft von Nürnberg in den norddeutschen Raum bei der Offizin Heidorn seinen eigenen Fußbretttypen, Fussbrettchen da er bei Heidorn nicht Lehrling, sondern Geselle war.

Hypothese:
Sicher war auch das Lübecker Museum mit seinen Heidorn-Formen auch vor 1933 für Max Hahnemann und danach für Aloys Ochel von Interesse. So können die Formen von J.A. Besold, zwischen 1857 und vor 1893 graviert, wahrscheinlich doch aber 1857/58 in den Besitz der 'Kieler Zinnfiguren' Firma gelangt sein. Da diese aber fast ausschließlich nur 30mm Flachfiguren in den Handel in alle Welt brachte, gab es für den Stierkampf keine geschäftliche Verwendung. Bis in unsere Tage, als bei einigen Sammlern das Interesse für die museale Figur erwachte.

Quellen:
1. Die Kleine Figur, Geschichte in Masse und Zinn. Ulf Leinweber, Ausstellungskatalog, Kassel1985
2. Sigel-Bestimmungsbuch, Heinz Schenzle, Kulmbach
3. Conversations Lexicon, Brockhaus, Leipzig 1817
4. Brockhaus' Konversations-Lexikon, Leipzig 1895
5. Brockhaus Enzyklopädie, Wiesbaden 1973

 
Einen weiteren interessanten Versuch einer Herkunftsbestimmung liefert Joachim-Albrecht Graf Bülow v. Dennewitz, zugleich mit einer Darstellung des spanischen Stierkampfs im 19. Jahrhundert.

STIERKAMPF - Corrida de torres
Versuch einer Herkunftsbestimmung einer Zinnfiguren-Serie.
Herausgeber: Fa. Aloys Ochel, Inhaber: Erika Ochel, Kiel
wiedergefunden im Jahr 1993, 18 Figuren, flach 35 - 45 mm Augenhöhe.
Darstellung:
1) Es handelt sich wahrscheinlich um den Stierkampf zu Pferde. Im 19. Jahrhundert häufig, heute kaum noch zu sehen. Denn außer den Fähigkeiten eines Stierkämpfers muß der Torero zugleich großes reiterliches Können besitzen. Er sitzt daher auch nicht auf billigen, schlachtreifen Pferden, wie die Picadores, sondern auf Vollblutpferden, meist andalusischer Rasse, also mit sehr viel Araberblut. Pferd und Reiter müssen die "Hohe Schule" der Dressur beherrschen. Die "Spanische Hohe Schule" wurde somit auch von Karl V. als Kampfschule zu Pferde gegründet und war in dieser Form nur mit hochgezüchteten Pferden mit Araberblut durchführbar.
Bei dieser Art des Kampfes werden alle Phasen des Stierkampfes zu Pferde ausgeführt. Wegen der großen Belastung wechselt der Torero bei jedem Gang das Pferd.
1. Gang: Reizen des Stiers mit der roten Capa
2. Gang: Suerta de varas, der Stich mit der Lanze durch den Picador. Beim Kampf zu Pferde auch durch den Torero.
3. Gang: Suerte de banderillas
4. Gang: Suerte de Pases, die Passagen mit der Muleta
5. Gang: Estocoda, Tötung des Stiers durch den Torero. Dieser 5. Gang wird beim Stierkampf zu Pferde meist nur durchgeführt, indem der Torero absitzt.

2) Die Serie ist aber noch anders einzuordnen und dies scheint mir hier die richtigere Version zu sein. Weist sie doch darauf hin, daß die Serie nach den Stierkampfmethoden in die Mitte des 19. Jahrhunderts einzuordnen ist. Im Gegensatz zu heute, wo es bei den Stierkämpfen in Spanien im 2. Gang üblicherweise nur einen Picador gibt, auf geschütztem, gepolstertem Pferd, dessen Augen man verbindet, beteiligten sich im vorigen Jahrhundert in dieser Kampfphase 10 - 12 Picadores. Es gab zumeist mehr Pferdeverluste der Picadores, als getötete Stiere. Hemingway berichtet darüber in seinem Tod am Nachmittag".

 
3) Zwei Figuren von Stieren der Serie zeigen eine Besonderheit. Nicht Bänder, wie heute üblich, und zwar bunt, wehen von den, in den Nacken des Stieres gesteckten Banderillos (3. Gang), meist 3 mal 2, also 6, sondem Rauchwolken! Und da ist tatsächlich im Großen Brockhaus von 1895 und in der Erstausgabe von 1817 nachzulesen: "Ist der Stier sehr feig, was oft genug vorkommt, so hängt man demselben Banderillos de Fuego an. D.h. dergleichen Wurfspieße mit ausgehöhlten und mit Schwärmern gefüllten Stäben. Im Moment des Einstechens in das Fell des Stieres entzünden sich die aus dem einen Ende der Stäbe hinausfahrenden Schwärmer. Der Stier, nun durch die Explosion wütend gemacht ......... ....stürzt nun auf den ersten Kämpfer, den er sieht".


4) Im Brockhaus von 1817 wird auch schon von mehreren Picadores (2. Gang) gesprochen, daß bisweilen ein Pferd verwundet wurde und der Picador sich schleunigst mit Hilfe der Chulos, welche ihre Schärpen über den Kopf des Stieres werfen, in Sicherheit bringt. Die Serie zeigt dies sehr eindrucksvoll. Aber man spricht auch von allen möglichen burlesken Auftritten bei der Corrida. Wie abgerichtete Affen, die auf den Nacken des Stieres springen, von Hunden in der Arena oder von Strohmännern, welche den Stier wild machen sollen. Auch von verkleideten Kämpfern zur Unterhaltung des Publikums. Spektakel, die heute beim Stierkampf unbekannt sind, nicht aber 1817. Und so ist auch die Figurengruppe zu erklären, die einen mit Lanze auf dem Stier Tanzenden darstellt.
Jedenfalls sind die bekannten Stierkampf-Serien von der Offizin Söhlke, ca. 1855 (von der Offizin E. Heinrichsen 1996 neu abgegossen), oder eine ähnliche, von Krause, eher nach heutigem Begriff der Corrida ausgeführt.

Tafeln

Stierkampf

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Stierkampf 1
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Stierkampf 2